Aktuell besuche ich bei mir an der Universität ein Seminar mit dem Titel “Experimentelle Fotografie”. Ein vielversprechendes Seminar, welches Fotografen mit verschiedensten Erfahrungsleveln beherbergt. Das finde ich schön und das macht die Sache auch wirklich “experimentell”. Man probiert aus, man löst sich von sämtlichen Vorgaben, man legt los und schaut, was dabei heraus kommt.
In diesem Zusammenhang muss ich oft an die vielen Internetseiten, an die “Fotoratgeber” in der Hardcover-Ausgabe denken, welche uns im Handumdrehen zum perfekten Fotografen schmieden wollen. Generell ist es eine tolle Idee, sich in einem Fotografie-Forum anzumelden und von den Erfahrungen der anderen zu profitieren. Dumm nur, wenn man dabei vergisst, eigene Erfahrungen zu sammeln. Ich denke gerade die Deutschen sind ein Völkchen, die gerne Fehler den anderen überlassen wollen. Dabei gibt es für mich nichts herrlicheres, als mein Fotoarchiv nach Datum zu sortieren und durch die alten Aufnahmen zu blättern. Falsch belichtet, unscharf, schlechter Bildausschnitt – wunderbar! Bei manchen Aufnahmen ärgert man sich auch ein bisschen, denn heute hätte man das sicher anders, wahrscheinlich deutlich besser, gemacht.
Zu Beginn meiner Zeit mit der digitalen Spiegelreflex habe ich exakt zwei Bücher zur Fotografie gelesen. Die Bedienungsanleitung meiner Kamera und “Digitale Fotografie” von Tom Ang. Beim ersten Titel wird manch einer jetzt wahrscheinlich die Stirn runzeln und vor sich hin sagen “Die Bedienungsanleitung? Nicht sein Ernst!”. Doch. Als damaliger Schüler ging die Erstausrüstung von meinem gesparten Taschengeld ab. Und immer wenn ich etwas technisches kaufe, lese ich die Bedienungsanleitung. In jungen Jahren war ich mehr so der Typus ”Plug & Play”. Erstmal angestöpselt, bisschen rumgedrückt bis es nicht mehr weiter ging und dann den hintersten Abschnitt der Bedienungsanleitung, gekennzeichnet mit “Fehlerbehebung”, konsultiert. Die Behebung der Fehler hat mich damals im Regelfall mehr Zeit gekostet, als das heutige durchlesen der Bedienungsanleitung. Im konkreten Fall der Kamera habe ich mir damit letztendlich auch das Geknipse im Vollautomatikmodus erspart. Dadurch, dass ich von Anfang an alles manuell einstellen musste, entstanden auch zwangsläufig die besagten Aufnahmen, welche ich in meinem Archiv unter “knapp daneben” abgelegt habe. Letztendlich hat weder die Bedienungsanleitung, noch das Buch zur digitalen Fotografie meine anfänglichen Versuche sehenswerter gemacht, aber immerhin wusste ich, was welche Einstellung bedeutet und wie die Herangehensweise ist.
In dem Fotoforum, in dem ich mich damals angemeldet habe – und heute immer noch Mitglied bin – ging es ziemlich freundschaftlich zu. Es war und ist ein kleines, überschaubares Forum, in dem wenig Protz, dafür viel Sympathie herrscht. Man ersparte sich Kommentare wie “Mit der Scherbe an der Kamera kann das ja nichts werden”, fiel aber ab und an mal Klüngeleien beim direkten Vergleich zum Opfer. Letztendlich konnte man aber immer gewinnen, zumindest für sich selbst. In anderen Foren gibt es teilweise richtige “Prediger”. Leute, die den Ton angeben und sagen, wie man fotografiert. Wenn man sich dort alle Tipps, Tricks und Kniffe zu Gemüte führen möchte, kommt man gar nicht mehr zum fotografieren. Und genau das ist der Punkt. Vor lauter lesen, fragen und kopieren vergessen wir völlig, selbst mal kreativ zu werden. Einfach mal raus zu gehen, Fotos zu schießen und am Computer zu schauen, was dabei raus kam. Wer immer nur die Ergebnisse aus Foren zu rekonstruieren versucht, wird niemals den Ordner “knapp daneben” in seinem Fotoarchiv füllen. Und wahrscheinlich auch nie einen Wettbewerb gewinnen.